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Dokumentation auf Netflix: «Biking Borders – Eine etwas andere Reise»

Fahrradhasser radeln von Berlin nach Peking

Zwei beste Freunde wollen für einen guten Zweck Spendengelder sammeln und wagen sich dafür aus ihrer Komfortzone. Sie reisen 15 000 Kilometer mit dem Fahrrad und veranschaulichen humorvoll, dass es sich lohnt, an die eigenen Grenzen zu gehen.

Manchmal entweichen den Fahrradhassern Nono und Max auf ihrer Reise gar Sätze wie «Fahrradfahren ist schön!».

Text CHRISTIAN METZGER

Nach ihrem Studium schien für die Mittzwanziger Nono Konopka und Max Jabs ein Weg mit wenigen Hindernissen vorgezeichnet. Statt einer Marketingkarriere bei einer grossen Firma entscheiden sich die beiden Norddeutschen jedoch für einen Weg voller Unwägbarkeiten. Ihre Vision: über Social Media Spendengelder für den Bau einer Schule in Guatemala sammeln. Die Aufmerksamkeit für ein solches Projekt sei am einfachsten zu erreichen, indem man irgendetwas Verrücktes mache. Deshalb treten sie eine neunmonatige Reise mit ihren Zweirädern von Berlin nach Peking an und werden dabei nicht müde zu betonen, wie sehr sie das Fahrradfahren hassen.

Humor gekoppelt mit Authentizität
In der Dokumentation «Biking Borders – Eine etwas andere Reise» wird der Zuschauer Teil dieser ungewöhnlichen Reise. Sie fängt die Höhen und Tiefen der neunmonatigen Fahrradtour humorvoll ein. Wenn sich Max und Nono mit Axt und Taschenlampe bewaffnet gegenseitig zu überzeugen versuchen, dass da kein Wolf vor ihrem Zelt lauere, wirkt dies wie eine Parodie auf den Film «Blair Witch Project». Für Authentizität sorgen einerseits die eingebundenen Instagram-Storys, mit denen sie die Spendentrommel gerührt haben. Andererseits sehen wir Szenen, in denen die beiden Protagonisten aus ihrer Selbstinszenierung keinen Hehl machen. Das Bild des ungetrübten Reisefeelings bekommt Risse, wenn die beiden Norddeutschen dem Zuschauer einen Blick hinter die Kamera gewähren. In mehreren Szenen zeigen sie, wie sie zurückstrampeln und die Kamera wieder einpacken müssen, nachdem sie sich in atemberaubenden Landschaften beim Fahrradfahren gefilmt haben.

Biking Borders

Eine etwas andere Reise
Plattform: Netflix oder mit Bonusmaterial über bikingborders.com
Regie: Maximilian Jabs und Nono Konopka; Erscheinungsjahr: 2021
Dauer: 90 Minuten
Sprachen: Deutsch, Englisch, Spanisch, Französisch, Italienisch, Niederländisch und Türkisch
Produktion: Biking Borders in Kooperation mit FilmCrew

Alles nur eine PR-Kampagne?
Die eigene Inszenierung sichtbar zu machen, wirkt zwar authentisch, wirft aber im Gegenzug die Frage auf, ob es sich beim Film einfach um eine perfekt inszenierte PR-Kampagne handelt. Ihre Selbstinszenierung für den guten Zweck hat den beiden Protagonisten zweifelsohne neue Türen geöffnet. Als Belohnung für die Einladung zum TED-Talk oder einen Buchvertrag haben sie intimste Momente wie Trennungsschmerz und Verzweiflung festgehalten.

Eine reine Inszenierung hätte allerdings kaum das Potenzial, auf die Tränendrüsen des Zuschauers zu drücken. Der Film berührt nicht nur wegen des empfundenen Mitgefühls, wenn die beiden an ihre Grenzen gehen, bei eisiger Kälte durch das ostanatolische Gebirge fahren oder in Teheran kurz vor dem Abbruch ihrer Reise stehen. «Biking Borders» erzeugt Resonanz, weil gerade das Unkontrollierbare auf einer solchen Reise, wie die Gastfreundschaft der Iraner oder die Schönheiten und Widrigkeiten der Natur, in Schwingungen versetzt, die sich auf den Zuschauer übertragen. Einen wesentlichen Anteil an den ankommenden Schwingungen hat die Musik von Amadeus Indetzki, die die emotionale Achterbahnfahrt der beiden Radfahrer stets gekonnt untermalt.