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Podcast «Hotel Matze»

Wenn er fragt, spitzt ganz Deutschland die Ohren

«Wie kann eine Depression zur Freundin werden?», «warum möchtest du kein Millionär sein?», «welches ist die schlechteste Version von dir?»: Solche und ähnliche Fragen beantworten Matze Hielschers Gäste im Podcast «Hotel Matze», der in Deutschland  Kultstatus geniesst.

750’000 Hörer. Podcast mit Suchtgefahr.

Text DAN FURRER

Vor dem Können kommt das Wollen, lehrte mich einst mein italienischer Grossvater. Und wenn von diesem Wollen ganz viel vorhanden ist, sprechen wir von Leidenschaft. Genau darin scheint das Erfolgsrezept des unternehmerischen Wiederholungstäters Matze Hielscher zu liegen. «Ich habe keine besondere Begabung, sondern bin nur leidenschaftlich neugierig», so Hielscher. Hör- und fühlbar wird sein Credo in seinem Podcast «Hotel Matze». Sein Rezept für fesselnde Interviews ist vom deutschen Publizisten und TV-Moderator Roger Willemsen (1955–2016) inspiriert: Frag nur das, was dich wirklich interessiert.

«Wenn du böse bist, ist das dann, wie wenn du jemanden kurz auskitzelst?», «wie führt man ein kreatives Leben ohne Kompromisse?», «warum machst du uns nichts vor?», «wie startet man eine Revolution?», «wie lange sollte man aushalten, bevor man aufgibt?», «wie fühlt es sich an, wenn man ungeplant berühmt wird?», «was brauchst du, um zu wachsen?», «wer kann dich …?».

«Mit Vergnügen» heisst sein digitales Berliner Städtemagazin. Mit Vergnügen macht der ehemalige Lampenverkäufer, DJ und Musiker Matze Hielscher kompromisslos alles in seinem Leben. So auch seinen Podcast «Hotel Matze».

Künstler und Lebenskünstler in der Lobby des Hotels Matze
Mindestens 50 Prozent des Zaubers eines Interviews stellt die interviewte Persönlichkeit selbst dar. Und bereits hier trennt sich die kommunikative Kurvenstrasse des Matze Hielscher von den tausenden regulierten Radwegen. In der Lobby des Hotels Matze nehmen sie alle gerne Platz. All die kleinen und grossen Künstler und Lebenskünstler. Das scheint auch am ausgesprochen wohlwollenden und einladenden Ambiente zu liegen.

Intimität und Authentizität
«Die besten Gespräche sind die, wenn man merkt, dass jemand wirklich für etwas brennt», sagt Hielscher. Der Hörgenuss fühlt sich so an, als ob man in der Hotellobby Zeuge eines Gesprächs am Nebentisch wird und es zunehmend schwerfällt, seine Aufmerksamkeit von diesen Protagonisten abzuwenden. Diese räumliche Intimität entsteht vor allem durch den Gastgeber des Hotels, der zu 100 Prozent im Hier und Jetzt agiert und punkto Authentizität Gesprächsführung neu definiert. Schlicht und ergreifend durch bodenständiges, ehrliches Interesse am Gegenüber. Kein überpsychologisiertes Wühlen zwischen Synapsen. Herrn Hielschers Gespür für Menschen.

Fesselnde Hörerlebnisse
Gedankt ist dies vermutlich auch dem Umstand, dass Matze Hielscher die Kommunikationstrainingsergebnisse geföhnter Sprechomaten geflissentlich grossräumig zu umfahren weiss. Daraus entstehen ganz neue, fesselnde Hörerlebnisse, und der Interviewte lässt unser Ohr ganz dicht an sich ran. Man meint, den Nachbartisch zu riechen, vergisst das Handy und die Verabredung, die uns in dieses Etablissement geführt hat. Eigentlich würde man nichts lieber, als sich dazuzusetzen. Man kennt sich ja. Etwa wenn die Intensivpflegerin am Nebentisch berichtet, wie das Covid-19-Virus gerade die Intensivstation ihres Krankenhauses in Tränen zerlegt.

Und das schlägt ein. Einerseits, weil das Thema in seiner Heftigkeit und Aktualität hochemotional ist; andererseits aber auch, weil wir ganz nah am Tisch sind und Karin, die Intensivpflegerin, plötzlich schon fast physisch berühren.

Oder wenn der deutsche Schauspieler Fahri Yardim gefragt wird: «Wann ist ein Mann kein Mann?» Schon nach wenigen Minuten legt der Befragte die Presse-Scheuklappen sanft über die Stuhllehne. Das Ohr freuts. Auch die Tatsache, dass er Deutschlands wohl sympathischster Filmmacho mit Pferdestehler-Qualitäten ist, lässt mich in der Lobby des Hotels Matze verweilen und ein weiteres Glas Wein bestellen.

Mein Handy klingelt. Meine Verabredung teilt mir mit, dass sie noch immer im Stau steht. Auch gut. Gerade hat der Sänger Campino am Nebentisch Platz genommen …

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