FAU Redaktion Werkschau Text

Angela Tuckley, 100 Prozent vielseitig

«Beim Gedanken an ein Vollzeitpensum bekomme ich ein beklemmendes Gefühl»

Die in England geborene Angela Tuckley hat im Leben schon einige schwierige Situationen erlebt und einen Neuanfang in verschiedenen Ländern gewagt. Dabei kam ihr zugute, dass sie sich beruflich nicht nur auf eine Tätigkeit festgelegt hat.

Angela Tuckley, Kunstmalerin
Angela Tuckley setzt ihre Kreativität und Empathie als Kunstmalerin, Sprachcoach sowie Therapeutin ein.

Text GABRIELE URDL
Foto SIMONE GLOOR

Mit herzlichem Lächeln empfängt die aus Leicester stammende Angela Tuckley Gäste in ihrer Wohnung in Oetwil am See. Sofort fühlt man sich wohl in den Räumen im gemütlichen Landhausstil mit antiken Möbeln und verspielten Accessoires. Beschwingt huscht die sympathische Frau barfuss und im Sommerkleid über den leicht knarrenden Parkettboden und bietet eine Cup of English Tea an. Mit Blick auf wunderschöne Wiesen kommt man schnell ins Gespräch mit der offenen und humorvollen Gastgeberin. Im letzten Raum der Wohnung lebt sie ihre grosse Passion aus. Ein langer Holztisch voller Farbtuben, Ölkreiden und Pinsel steht dort. Ebenso eine Staffelei und aneinandergereihte Platten aus Holz, Pappe oder Blech, die als Leinwände dienen. «In dieser ländlichen Idylle und Ruhe kann ich gut arbeiten», schwärmt sie.

Mit viel Kreativität und Engagement für das Wohlbefinden ihrer Mitmenschen findet die innovative 64-Jährige immer wieder neue Projekte und Coachingaufgaben. Durch ihr Know-how und vielseitiges Wirken baut sie schnell ein Netzwerk um sich auf. «Ich liebe es, mit Menschen zu arbeiten», sprudelt die quirlige Engländerin in klarem Hochdeutsch. Sie wirkt gelassen und zufrieden. Doch Angela Tuckleys Leben war nicht durchwegs «easy going», musste sie doch einige Schicksalsschläge hinnehmen und sich privat und beruflich immer wieder neu ausrichten.

«Es ist erfüllend für mich, sinnstiftenden Tätigkeiten nachzugehen.»

Angela Tuckley

Das Leben ist eine Reise
Tuckleys Karriere begann als Bürokraft in London. Auf Empfehlung von Freunden besuchte die damals 22-Jährige das Land Israel. Mit vielen Jugendlichen arbeitete sie während einiger Monate als Volontärin in einem Kibbuz. Dort lernte sie einen Deutschen kennen, was den Lauf ihres Lebens veränderte. Es folgte der Umzug nach Köln, wo sie 38 Jahre lang wohnte und Mutter einer Tochter wurde. Um berufstätig sein zu können, legte Tuckley diverse Zertifikate zur Englisch-Sprachtrainerin ab und arbeitete in Sprachschulen sowie Unternehmen. Die ambitionierte Frau integrierte sich schnell und folgte bald weiteren Passionen. Eine Ausbildung zur heilpädagogischen Therapeutin nach der SKAN- und Alexander-Technik lag ihr am Herzen. Um sich nebenberuflich weiterbilden zu können, reduzierte sie ihr Arbeitspensum auf 50 bis 70 Prozent. In Deutschland schaffte sie auch den Durchbruch als Kunstmalerin. Unerwartete Ereignisse führten sie schliesslich zum heutigen Wohnort in der Schweiz.

Zu viele Talente für nur einen Beruf
In der Zwischenzeit hat Angela Tuckley mehrere berufliche Standbeine. Auf die Frage, ob sie sich vorstellen könnte, in einem 100-Prozent-Pensum zu arbeiten und Unternehmensziele zu verfolgen, muss sie überlegen. Die Hände auf ihr Herz legend, sagt sie leise: «Bei diesem Gedanken bekomme ich ein beklemmendes Gefühl. Zwar hätte ich ein geregeltes Einkommen und die finanzielle Altersvorsorge wäre besser gesichert. Aber es ist einfach erfüllender für mich, sinnstiftenden Tätigkeiten nachzugehen.» Zudem schätzt sie es, dank der Teilzeitanstellung mehr Freiheiten in der Gestaltung ihres Lebens zu haben. Bei ungeplanten Veränderungen sei es zudem nützlich, auf mehrere Jobmöglichkeiten zurückgreifen zu können. Sie weiss, wovon sie spricht.

«Ich liebe es, mit Menschen zu arbeiten.»

Angela Tuckley

Körper. Gefühle. Ausdruckskraft.
Nach der Ausbildung zur Therapeutin behandelte Tuckley viele Kunden wegen ihrer Schmerzen, die aus falscher Körperhaltung resultierten, und verhalf ihnen zu neuer Lebensqualität. In den letzten Jahren erweiterte sie ihr Wissen an Techniken zur Körperarbeit und -therapie. Auch stehen Übungen im Improvisationstheater für Interaktionspädagogik und Ausdruckskraft auf ihrem Weiterbildungsprogramm. Diese Kenntnisse und die Selbstanwendung zeigen erfolgreiche Wirkung bei Tuckley selbst. Man begegnet einer Frau mit sehr positiver Ausstrahlung, die in einem agilen Körper dynamisch wirkt. Von ihrer Lockerheit und Empathie profitieren auch die Kinder eines Kindergartens, in dem sie aktuell als Assistentin arbeitet. «The kids are so honest», so die Teilzeitangestellte. «Man lernt von Kindern, wie spontan sie agieren und wie klar sie sich ausdrücken.» Das Sprachtalent unterrichtet derzeit auch freiberuflich Kinder sowie Erwachsene in Englisch. «If you don’t use it, you lose it», ist ihr Slogan, und so übt sie engagiert die lockere Konversation oder das berufliche Fachgespräch mit ihren Klienten.

Schicksalshaft und herausfordernd
Die Idylle eines unbeschwerten Lebens wurde Tuckley genommen, als im Jahr 2009 ihr erster Mann starb. In dieser schweren Zeit begann sie, intensiver zu malen, und gab ihr Bestes, um für sich und ihre Tochter zu sorgen. Kraft schöpfte sie durch ihre Familie, soziale Kontakte, Hobbys und Kunstprojekte. Eine neue Beziehung führt Tuckley im Jahr 2019 in die Schweiz. Doch schlägt das Schicksal erneut zu, und ihr Mann stirbt nur ein Jahr später völlig unerwartet bei einer Wanderung. Die sonst fröhliche Frau wird nachdenklich, wenn sie davon erzählt. Um nach dramatischen Ereignissen wieder Kraft zu schöpfen, akzeptiert sie inzwischen, «was war, wie es ist und was kommen wird».

Mehr Informationen zu Angela Tuckleys künstlerischer Arbeit: www.angela-tuckley.ch

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Dieser Beitrag entstand im Rahmen der Zeitschrift «blickwinkel», deren Herbstausgabe 2022 sich dem Teilzeitarbeit widmet.
Die Zeitschrift «blickwinkel» erscheint jeweils im Mai und November. Jede Ausgabe konzentriert sich auf ein facettenreiches Thema und beleuchtet es aus unterschiedlichsten Perspektiven.
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