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«Ghost Trick»

Vier Minuten vor dem Tod

Was kommt im Leben nach dem Tod? Darum dreht es sich im Videospiel «Ghost Trick». Für den Protagonisten Sissel ist es die Investigation seines eigenen Mordfalls. Jedoch bleibt dem Phantom-Detektiv nur eine Nacht, um der Wahrheit auf den Grund zu gehen.

Bild: Nintendo

Text MICHEL KAUFMANN

In einer dunklen, lampenbeleuchteten Nacht stehen sich zwei Gestalten auf einem Schrottplatz gegenüber. Ein zwielichtiger Kerl und eine rothaarige Frau, auf die er eine Waffe richtet. Mittendrin: dein eigener Körper. Tot. Frisch ermordet und daher unfähig, in die Situation einzugreifen.

In dieser Lage befindet sich Sissel, der spitzköpfige Protagonist von «Ghost Trick». Schlimmer noch: Er erinnert sich an nichts. Wer ist verantwortlich für Sissels Tod und warum? Wer ist Sissel überhaupt? Diese Fragen gilt es für ihn zu beantworten – und zwar inmitten dieser einen Nacht, denn bei Sonnenaufgang wird seine Seele komplett verschwinden. Hinter diesem spannenden Krimi steckt der leitende Entwickler Shu Takumi – weltweit besser bekannt durch die «Ace Attorney»-Spielserie. Und genau wie diese überzeugt auch «Ghost Trick» mit einer begeisternden Geschichte.

Bild: Nintendo

Vom ersten Moment an ist die Atmosphäre greifbar. Die Geschichte beginnt mit einem Monolog des frischverstorbenen Protagonisten, in dem er seine Lage schildert, und nicht lange darauf wird die Frau erschossen. Für den verunglückten Rotschopf – Lynne – ist allerdings noch nicht alles verloren: Sissel erfährt bald, dass er die Kraft hat, in der Zeit zu reisen; um genau zu sein: in die Zeit vier Minuten vor dem Tod jeglicher frischverstorbenen Lebewesen. Die einzige Ausnahme bildet er selbst; sich selbst kann er nicht mehr vor seinem Schicksal bewahren.

Zeitreisen, Verschwörungen und ein Zwergspitz
Mit Lynne als einzigem Anhaltspunkt bleibt Sissel nichts anderes übrig, als sie zu retten. Zu seinem Glück kann er mit den Ex-Toten, deren Tod er ungeschehen gemacht hat, aber auch in der neu geschaffenen Gegenwart weiterhin kommunizieren. So schafft er sich im Laufe des Spiels langsam ein Netzwerk von liebenswürdigen, interessanten Charakteren, die alle auf eine Art mit dem Fall seines Todes und der Verschwörung dahinter in Verbindung stehen. So auch einer der besten Charaktere: Lynnes liebenswürdiger Hund Rakete – ein Zwergspitz, der Takumis eigenem Zwergspitz nachempfunden ist. Dieser verhält sich genau, wie man es von einem Hund erwarten würde: aufgedreht, loyal, und er versteht die Menschenwelt nicht komplett.

Bild: Nintendo

Sissels geistgegebene Kräfte bilden den Kern des Gameplays. Neben der Fähigkeit zur Zeitreise verfügt der Spieler über zwei zentrale Optionen, mit denen er Sissel kommandieren kann. «Ghost» verfrachtet Sissel in die Geisterwelt, in der er sich bei angehaltener Zeit in Form seiner Seele durch verschiedene Objekte durch die Welt schlängeln kann. «Trick» lässt ihn durch sogenannte Geistertricks diese Objekte mit einer im Spiel klar angegebenen Aktion manipulieren. Tritt er beispielsweise auf eine Kerze, kann er diese anzünden oder auslöschen.

Somit bildet sich daraus ein simpler, aber starker Puzzlemechanismus. Ob es darum geht, jemandem das Leben vier Minuten vor seinem Tod zu retten, oder ob Sissel lediglich durch die Umgebung manövriert werden soll – man fühlt sich immer mit der Spielwelt verbunden. Durch Telefonleitungen kann Sissel sich zu allerlei weiteren Umgebungen transportieren, solange er sich in einem Telefon befindet, während ein Anruf dahin getätigt wird. Ist diese Kondition erfüllt, kann er sich danach mit wenigen Ausnahmen auf Wunsch immer wieder dahin begeben. Dadurch sind der Umgebungsvielfalt keine Grenzen gesetzt. Oftmals ähneln die Rätsel einer Rube-Goldberg-Maschine – eine Nonsens-Maschine, die eine bestimmte Aufgabe überkompliziert ausführen soll –, und interessant zu lösen sind sie immer. Die Schwierigkeit könnte allerdings etwas angehoben werden, denn wirklich knifflig ist die Lösung selten bis nie. Auch gibt es leider stets nur eine einzige richtige Lösung.

Bild: Nintendo

Mord im grossen Stil
Präsentiert ist das Spiel in einem einzigartigen 2D-Stil. Auch die Animationen stecken voller Persönlichkeit: Die Charaktere bewegen sich stets flüssig und expressiv. Der sich durch das Leben tanzende Inspektor Cabanela sticht hier besonders heraus. Diesen Charakteren zuzusehen, bereitet Freude. Auch dank detailreichen Hintergründen und eindrücklichen Charakterdesigns zeigt sich das Spiel überaus stilvoll. Unterstrichen wird die Präsentation von Masakazu Sugimoris atmosphärischem, jazzinspiriertem Soundtrack, der zu jeder Situation passend herüberkommt.

Wer sich von viel Text nicht abschrecken lässt, sollte «Ghost Trick» also definitiv unter die Lupe nehmen, denn die Geschichte steht hier sehr stark im Vordergrund, und diese lässt keine Lücken offen. Das ungefähr 12 Stunden lange Abenteuer trieft vor Charme und Persönlichkeit. Wer ein iPhone oder iPad besitzt, sollte es ohnehin zumindest anspielen; die ersten zwei Kapitel sind im App Store kostenlos verfügbar. Somit steht der Lösung von Sissels Mordfall kaum mehr etwas im Weg.

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Ghost Trick: Phantom-Detektiv

Erscheinungsjahr: 2011
Genre:
Adventure, Puzzle
Studio: Capcom
Publisher: Capcom
Leitender Entwickler: Shu Takumi
Plattform: Nintendo DS, iOS