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Michel Simonet: «Mit Rose und Besen»

Ungewöhnlicher Blick auf die Stadt Freiburg und ihre Bewohner

Seit fast 30 Jahren sorgt Michel Simonet als Strassenwischer mit einer Rose an seinem Karren für Sauberkeit auf den Trottoirs und Plätzen Freiburgs. Die in all den Jahren gewonnenen Einsichten über die Stadt, ihre Bewohner und das Leben generell teilt er in dem kurzweiligen, orangen Bändchen mit seinen Lesern.

Buch von Michel Simonet «Mit Rose und Besen» am Strassenrand
Kurzweilige Betrachtungen über die Stadt Freiburg und ihre Bewohner.

Text und Foto CHRISTIAN FELDHAUSEN

Um 4.40 Uhr klingelt der Wecker, und Michel Simonet macht sich auf den Weg zum Werkhof. Mit Karren und Werkzeug reinigt er dann Tag für Tag die Trottoirs und Strassen seines Viertels, was ihn im Ausgleich auf allerlei Gedanken bringt.

Eine Reise durch Freiburg zu seinen Bewohnern, aber auch mehr
Der schreibende Strassenwischer Michel Simonet nimmt uns mit auf eine Reise durch die Stadt Freiburg im Üechtland, zu ihren Bewohnern, aber auch zum Leben als solchem. Die eher gleichförmige, sehr manuelle Arbeit des Reinigens der Trottoirs, des Einsammelns von Abfällen und des Schneeräumens in der kalten Jahreszeit über 29 Arbeitsjahre hat ihm Zeit und Musse zum Nachdenken gegeben. Als scharfer Beobachter, gar Statistiker, wenn es um die Zahl der übers Jahr gefundenen Gegenstände wie Regenschirme, Messer oder BH angeht, lässt er uns eintauchen in die Gewohn- und Eigenheiten der Freiburger.

Sein Kennzeichen in der Stadt ist – ausser der orangen Arbeitsmontur – eine Rose an der hinteren rechten Ecke seines Karrens. Sie lässt die Passanten immer wieder verwundert innehalten, sich fragen oder auch ihn fragen, was es mit der Rose auf sich habe. So versteht er sein Buch auch als Antworten auf diese immer wiederkehrende Frage.

Spiel mit der Sprache
Bereichert durch kleine Gedichte und Aphorismen, beleuchten seine kurzen Kapitel immer wieder neue Facetten des Lebens in Freiburg: den Wochenmarkt, die Fasnacht, durchfeierte Nächte mit ihrem am Morgen zu beseitigenden Abfall oder die Erinnerung an das sogenannte Bermuda-Dreieck.

Sprachlich sind seine Zeilen herausfordernd, denn er spart nicht mit Verbindungen zur Antike, Philosophie und katholischen Bildung. Seine Wortschöpfungen und Wortspiele, exzellent aus dem Welschen vom tief in Freiburg verwurzelten Übersetzerpaar übertragen oder nachgebildet, beleuchten seinen hellen und gebildeten Geist. Denn seinen Erwerb als einfacher Strassenwischer hat Michel Simonet aus freien Stücken gewählt, nachdem er bereits als Student während der Sommerferien die Strassen Freiburgs gefegt hatte.

Sein Buch lässt die Stadt Freiburg und ihre Menschen näher aus der ungewohnten Perspektive des Strassenwischers kennenlernen. Das Bändchen ist lesenswert, bringt gleichzeitig zum Schmunzeln und zum Innehalten in der Alltagsroutine, denn der Leser wird zum Nachdenken verführt: über die Mitmenschen, über das Leben und was Glück oder Glücklichsein im Leben ausmachen kann.

Michel Simonet

Mit Rose und Besen.

Gedanken eines Strassenwischers
Nydegg Verlag, Bern 2016
Flexcover, 157 Seiten
Preis Fr. 24.–