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Ausstellung Robert Wilson

Das Drama vom Stuhl

Zur Eröffnung des neuen Lausanner Designmuseums inszeniert der renommierte Regisseur und Künstler Robert Wilson die private Stuhlsammlung von Thierry Barbier-Mueller. Dazu schuf er ein beeindruckendes Schauspiel aus Licht, Klang und Stühlen mit dem Titel «A Chair and You».

Metallstühle in Installation mit Spiegeln, versplitterte Reflexe ergeben ein überwältigendes Raumbild von zig Spiegelungen der Metallstühle.
«Melting Chair» von Philipp Aduatz in der Ausstellung «A Chair and You»

Text und Fotos: MARC FEHLMANN

Robert Wilson verwandelt das neue Lausanner Musée cantonal de design et d’arts appliqués contemporains (MUDAC), das die portugiesischen Architekten Francisco und Manuel Aires Mateus geschaffen haben, in eine Bühne. Mit Licht, Klang und Farben gestaltet er vier Szenen. Den Anfang bilden farbig-fröhliche Gruppen extravaganter Designs in einem hellen, weissen Raum. Dabei unterstreicht Paul Reeves’ Single «Happy Chappie» im Loop das heitere Wirrwarr aus bunten Formen. Der zweite Teil ist in gedämpftes Licht und warmes Grau gehüllt und von Klängen afrikanischer Trommeln durchdrungen. Hier stehen Stühle hinter hauchdünnen Schleiern und erzählen vom Schicksal ihrer Unbrauchbarkeit. Der dritte Raum ist tiefschwarz und düster mit melancholischen Klavierklängen kombiniert. Ausgelöst werden damit Gefühle von Trauer, Isolation und Einsamkeit. Dabei hängen Stühle wie tote Körper von der Decke herab und drehen leise vor sich hin. Das Drama vom Stuhl wird schliesslich im letzten Raum aufgelöst. In einer hemmungslosen Flut leuchtend-silberner Splitter und begleitet von Lou Reeds blechernen Gitarrenklängen, versinken metallene Stühle in endlosen Spiegelungen.

  • Stefan Wewerka (1928-2013): Classroom Chair von 1971, Foto Patrick Goetelen, MUDAC Lausanne

  • Installation im 1. Saal

  • Installation im 2. Saal

  • Installation im 4. Saal

  • Philipp Aduatz (*1982): Melting Chair von 2011, Foto Patrick Goetelen MUDAC Lausanne

«Ein Stuhl ist wie eine Skulptur für mich. Ich bin nicht so sehr daran interessiert, darauf zu sitzen; ich schaue sie lieber an», sagt Robert Wilson. Darin zeigt sich seine besondere Beziehung zu Stühlen, denn er verwendet sie nicht nur wie Schauspieler in seinen Inszenierungen, er sammelt sie auch seit seiner Kindheit. Mehrere tausend Stück hat er zusammengetragen und ist damit ein intimer Kenner der Materie. Deshalb ist es ein Glücksfall, dass ihn das Lausanner Designmuseum zu seiner Eröffnungsschau «A Chair and You» gewinnen konnte. Diese präsentiert die private Stuhlkollektion von Wilsons Sammlerkollegen Thierry Barbier-Mueller, die ausschliesslich Prototypen, Einzelstücke und Limited Editions von 1961 bis in die Gegenwart umfasst. Wilson hat daraus 211 Stück ausgewählt und eigenwillig installiert.

In dieser Ausstellung bricht Wilson mit Konventionen der musealen Präsentation. Er überwindet den sterilen White Cube ebenso wie den digitalen Lehrpfad. Stattdessen setzt er einprägsame Klangkulissen in eine eindringliche Farb- und Lichtstrategie und kreiert daraus eine dichte, mehrere Sinne ansprechende Erlebniswelt. Die Besucherinnen und Besucher können Stuhldesign wie in einem luxuriösen Einkaufspark konsumieren. Ein vertieftes Verständnis von gesellschaftlichen oder künstlerischen Zusammenhängen ist in diesem Netz freier sinnlicher Verknüpfungen nicht möglich. Hingegen macht Wilson Stühle zu allem Möglichen, zum Idol, zum Star, zum Objekt der Begierde; nur sitzen kann der Besucher auf ihnen nicht.

Der Sammler

Der Genfer Thierry Barbier-Mueller (*1961) ist der jüngste Sohn der Kunstsammlerin Monique Barbier-Mueller (1929–2019) und Enkel des legendären Solothurner Hodler-Sammlers Josef Müller (1887–1977). Er ist CEO des Familienunternehmens Société Privée de Gérance (SPG). Mit einem verwalteten Portfolio von rund 13 Mrd. Franken gehört dieses zu den wichtigsten Playern in der Immobilienbranche der Romandie. Barbier-Mueller sammelt Stuhldesign, das in seiner Lebenszeit geschaffen wurde (ab 1961). Mit der Lausanner Ausstellung tritt er erstmals als eigenständiger Sammler aus dem langen Schatten seiner Familie.

Praktische Informationen

Dauer der Ausstellung: bis 26. Februar 2023

Musée de design et d’arts appliqués contemporains (MUDAC),
Place de la Gare 16–17
1003 Lausanne

Öffnungszeiten:
Mi 10.00–18.00 Uhr
Do 10.00–20.00 Uhr
Fr–Mo 10.00–18.00 Uhr
Di geschlossen

Eintritt Fr. 15.–, ermässigt Fr. 12.–

Tel. +41 21 318 44 00

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