FAU Redaktion Werkschau Text

Angst vor dem Vorstellungsgespräch

«Hypnose beruhigt, macht sicher»

Alexander Liatowitsch ist Psychotherapeut. Er hat Hypnose als eine wirksame Therapieform bei Ängsten entdeckt. Hypnose beruhigt und steigert die Selbstsicherheit. Sie soll auch bei Unbeholfenheit während Vorstellungsgesprächen helfen.

Psychotherapeut Alexander Liatowitsch
Alexander Liatowitsch, Psychotherapeut.

Text: Nicole Bielander
Foto: Simone Gloor

Alexander Liatowitsch, Sie sind Psychotherapeut und haben sich auf Hypnose spezialisiert. Benutzen Sie dazu ein Pendel?
Nein. Einige Hypnotiseure benutzen Pendel. Ich spreche nur sehr ruhig mit dem Patienten und setze gewisse Wortwendungen ein, die ihn relativ rasch in Trance versetzen.

Wie kamen Sie auf Hypnose als Therapieform?
Ich wollte einen anderen Ansatz finden, um Schmerzpatienten zu behandeln, als nur über das Gespräch. Während der Hypnoseausbildung bemerkte ich, dass diese Therapieform auch ein sehr wertvolles Instrument gegen Ängste ist. So begann ich, in meiner Praxis mit Menschen zu arbeiten, die Angst haben, zum Beispiel vor Sitzungen, Prüfungen oder im Alltag – da gibt es sehr viele Ängste. Mein Klient kann in der Hypnose gewisse Situationen, die ihn belasten, sehr gut antizipieren. Er kann sie vorbereiten und fühlt sich dann in der Situation selber viel sicherer.

Wie muss ich mir das vorstellen? Dass die Situation im Unterbewusstsein verankert ist?
Ja. Die Vorstellungskraft des Menschen wird genutzt, um sich eine Situation positiv vorzustellen. Im sehr ruhigen Zustand der Hypnose, in dem die Psyche offen ist, kann diese positive – in Anführungszeichen – Erfahrung verankert werden. In der realen Situation ist sie dann wie von alleine wirksam. Also ohne zu denken: «Das habe ich geübt.»

Was lässt sich mit Hypnose erreichen?
Mit Hypnose lässt sich eine seelische Drucksituation entschärfen. Eine Sitzung beginnt immer mit der Visualisierung von schönen und positiv besetzten Bildern, die absolut beruhigend und sehr entspannend wirken. Angst oder schlechte Erfahrungen lassen sich wieder ins Positive kehren. Hypnose beruhigt, macht sicher.

Wird der Klient auf ein bestimmtes Wort konditioniert oder auf eine Situation vorbereitet?
Beide Varianten sind möglich. Bei mir ist es eher die Situation, wobei ich manchmal auch Schlüsselwörter einsetze. Ich arbeite mit der Hypnosetechnik von Milton H. Erickson, einem sehr seriösen, innovativen und fantasievollen Hypnotherapeuten. Ich wiederhole immer wieder das Wesentliche, um es zu verankern. Wenn ich also merke, jemand kann ein Wort gut gebrauchen, es ist wie ein Signal, ein Auslöser, dann verankern wir das auch so im Unterbewusstsein. Oder jemand kneift sich in die Hand, und dann geht das positive Denken los. Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Das Wichtige ist, die gemeinsam mit dem Klienten besprochenen Kernpunkte in der Hypnose so angstfrei vorzubereiten, dass Angst in der eigentlichen Situation nicht mehr aufkommen kann oder nicht mehr so stark ausgeprägt ist.

« In der Hypnose kann man die Selbstsicherheit stärken und dadurch lernen, schwierige Fragen möglichst souverän zu beantworten.»

Alexander Liatowitsch, Psychotherapeut

Lässt sich mittels Hypnose die Auftrittskompetenz an Vorstellungsgesprächen optimieren? 
Da ist diese Methode wirklich sehr geeignet. Hypnose heisst Ruhe. Das ist schon mal sehr wichtig vor einem Vorstellungsgespräch. Darauf aufbauend lassen sich die Sicherheit und das Selbstvertrauen in der Hypnose festigen. Einerseits, indem ich die Qualitäten des Klienten verstärke und an frühere Erfolgserlebnisse während eines Vorstellungsgesprächs, einer Prüfung oder einer sportlichen Aktivität anknüpfe. Zusätzlich kann man antizipieren. Das heisst, der Klient kann die bevorstehende Situation in meiner Praxis unter sehr beruhigenden, positiven Aspekten imaginieren und durchspielen. Am Schluss der Sitzung kann er sich sagen: «Das Bewerbungsgespräch habe ich ja schon gehabt, ich habe es sehr gut gemacht.» Er hat bereits das positive Erlebnis vorweggenommen und an Routine gewonnen.

Lassen sich mittels Hypnose Antwortmodule verankern, so dass man bei einem Vorstellungsgespräch kritische Fragen souverän pariert?
Ja. In der Hypnose kann man die Selbstsicherheit stärken und dadurch lernen, schwierige Fragen möglichst souverän zu beantworten.

Lässt sich auch die Wirkung auf andere verbessern?
In einem repetitiven Lernprozess kann ich als Klient vor einem Vorstellungsgespräch verinnerlichen, mich gut zu präsentieren. Ich kann einstudieren, meine Persönlichkeit so darzulegen, dass ich gut herüberkomme. Vor allem auch, dass ich mich gut fühle dabei. Denn dann «verkaufe» ich mich souverän. Hypnose fördert das Authentische. Das ist kein Flunkern, keine Show, das bin ich selbst.

Reicht ein einmaliges Hypnosetraining?
Im Notfall, wenn sich jemand meldet und sagt: «Ich habe gehört, dass Sie Prüfungshypnose anbieten, und meine Prüfung ist in einer Woche», mache ich eine Ausnahme. Dann versuche ich, die Person in einer oder zwei Sitzungen darauf vorzubereiten. Je komplexer die Ausgangslage, desto mehr Sitzungen sind angezeigt. Sportler brauchen als hochmotivierte Kämpfernaturen vor einem wichtigen Wettkampf vielfach nur fünf bis zehn Sitzungen. Adäquat für ein Vorstellungsgespräch ist ein Zeitraum von ein oder zwei Monaten. Je öfter man eine Situation durchspielt, desto mehr ist sie im Kopf fixiert.

Was ist zu beachten?
Wichtig bei einer Hypnotherapie ist, dass die Chemie stimmt und der Klient dem Therapeuten vertraut.

Sie verfügen über eine seriöse, von der Schweizerischen Ärztegesellschaft für Hypnose und der Gesellschaft für klinische Hypnose Schweiz anerkannte Fachausbildung. Es bieten auch Nichtmitglieder Hypnose zur Vorbereitung von Vorstellungsgesprächen an.
Ich möchte den Stab nicht über Leute brechen, die nicht unsere Ausbildung genossen haben. Ich denke mir, Interessenten müssen bei solchen Anbietern aufpassen; es ist angezeigt, Erkundigungen einzuholen. Mit Hypnose kann man auch Mist bauen. Vor allem warne ich vor sogenannten Hypnotiseuren, denen es sehr stark darum geht, ihr eigenes Ego aufzupolieren, indem sie schon fast showmässig signalisieren: «Ich bin der grosse Magier. Komm nur ein, zwei Mal, ich mache das schon.»

Wieso hat sich Hypnotherapie noch nicht breit etabliert?
Es besteht gesellschaftlich eine Skepsis gegenüber dieser Methode, und ich kann das gut verstehen. Der Patient hat die Augen zu, er übergibt mir eine gewisse Macht, und das verunsichert. Ich sage jedem Patienten gleich zu Anfang: «Sie hören mich die ganze Zeit, Sie können jederzeit ‹stopp!› sagen. Sie sind nicht komplett weg. Sie wissen am Schluss noch alles, was ich gesagt habe.» Die Klienten geben die Kontrolle nicht ganz ab, liefern sich nicht aus. Sie sollen sich selbst noch spüren, ihre eigenen Gedanken haben, mitsteuern.

Hypnose für Spitzensportler: Was lässt sich da bewirken?
Hier geht es wieder um gezielte Vorbereitung und sehr oft um Angstminimierung. Besonders vor einem Wettkampf steigt die Furcht, kommen schlechte Erfahrungen wieder hoch, Verletzungen oder Misserfolge. Dieses Bewusstsein beeinflusst die Vorbereitung für den nächsten Wettkampf negativ. Mit Hypnose werden die Erfahrungen ins Positive gekehrt; der Sportler erlebt sich stark, motiviert, sicher, spontan und konzentriert. Das ist dann drin im Gehirn.

Gilt das nicht als Doping?
(Lacht.) Das ist das Schöne an Hypnose, was übrigens auch Schmerzpatienten so erleichtert: Sie fühlen sich nicht benebelt, im Gegenteil. Hypnose ist eine Anti-Doping-Therapie, ist nicht chemisch und macht nicht süchtig. Wir seriösen Hypnotherapeuten achten darauf, dass der Patient nicht von uns abhängig wird. Ich gebe ihm ein Instrument mit, das er selber anwenden kann. Ich muss nicht oben auf der Schanze stehen und Händchen halten. Jeder, der zu mir kommt, lernt auch ein Stück weit Selbsthypnose. Das macht ihn psychisch und auch geographisch unabhängig.

Braucht man für Selbsthypnose einen Spiegel?
Nein, das geht ohne. (Schmunzelt, verrät sein Berufsgeheimnis jedoch nicht.)

Zur Person: 

Alexander Liatowitsch ist promovierter Psychologe. Vor rund 20 Jahren absolvierte er eine Zusatzausbildung zum Hypnotherapeuten. Mit dieser Methode stärkt er Patienten und Sportler in ihrem Selbstwertgefühl. Alexander Liatowitsch bietet auch Hypnose-Workshops für Fachspezialisten wie Psychiater und Psychologen an.

Er hat eine eigene Praxis in Zürich und ist auch in beratender Funktion als Konsiliarius an der Universitätsklinik Balgrist in Zürich tätig. An Pensionierung denkt der 65-Jährige «noch sehr lange» nicht; sein Beruf ist ihm Berufung und Hobby zugleich. Liatowitsch setzt die Hypnosetechnik nach Milton H. Erickson ein, dem «Vater der modernen Hypnotherapie».

Hypnose als Psychotherapie

Der Konkurrenzdruck auf dem Arbeitsmarkt ist gross und nimmt auch in der Schweiz zu. Trotz guter Ausbildung fällt es vielen Stellensuchenden schwer, sich während eines Vorstellungsgesprächs optimal zu vermarkten. Die Angst vor einem Misserfolg lässt viele ihre Schlüsselkompetenzen vergessen. Unerwartete Fragen verunsichern zusätzlich. Gemäss Experten kann Hypnotherapie das Selbstwertgefühl und die Auftrittskompetenz positiv beeinflussen.

Bei der Zusammenarbeit mit einem Hypnotherapeuten sollte die Chemie stimmen. Adressen von seriösen, gut ausgebildeten Hypnotherapeuten erhalten Interessierte bei der Schweizerischen Ärztegesellschaft für Hypnose (SMSH) sowie bei der Gesellschaft für klinische Hypnose (GHYPS). Bei diesen beiden Gesellschaften werden nur anerkannte Therapeuten empfohlen.

Je nach Krankheitsbild und Diagnose werden Hypnotherapien von Krankenkassen oder Zusatzversicherungen ganz oder teilweise übernommen.